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Seit Einführung des § 844 Abs. 3 BGB im Jahre 2017 können Hinterbliebene im Falle der Tötung von dem Ersatzpflichtigen eine angemessene Entschädigung in Geld fordern, wenn sie zur Zeit des Todes in einem besonderen, persönlichen Näheverhältnis zu dem Getöteten standen. 

Dieses Hinterbliebenengeld bezweckt die symbolische Anerkennung des seelischen Schmerzes nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen. Es geht also nicht um die Abgeltung und damit den Wert des nicht materiell messbaren Wertes eines zerstörten Lebens.
Es handelt sich demnach auch nicht um Schmerzensgeld, sondern um einen eigenständigen Anspruch, wenngleich viele Gemeinsamkeiten bestehen.

Es wird eine sehr persönlich enge Beziehung zu dem Getöteten zum Unfallzeitpunkt vorausgesetzt, die auch in einem hohen Maße ausgeprägt sein muss.

Ein solches Näheverhältnis wird nach dem Gesetz vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war. Bei diesem Personenkreis wird in der Praxis zumeist ohne größere Nachforschungen der Anspruch bejaht.
Alle nicht im Gesetz genannten Personen, also etwa Geschwister, Verlobte, Stief-bzw. Pflegekinder oder auch Mitglieder einer Patchwork-Familie müssen das „besondere Näheverhältnis“ zu dem Verstorbenen nachweisen, um einen Anspruch geltend machen zu können.

In einem aktuellen Urteil des OLG München vom 5. August 2021 (24 U 5354/20) hat sich das Gericht zu der Frage eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld für einen „Nasciturus" (einem bereits gezeugten, aber noch ungeborenen Kind) geäußert.

Die Klägerin, die am 05.04.2018 geboren wurde, macht als leibliche Tochter einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld geltend. Ihr Vater wurde im Jahre 2017 nach Zeugung der Klägerin bei einem Verkehrsunfall tödlich verletzt. Die Haftung dem Grunde nach wurde zu 100 % durch die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers anerkannt.

Das Gericht hat für dieses (zum Zeitpunkt des Verkehrsunfallgeschehens) ungeborene Kind den Anspruch auf Hinterbliebenengeld verneint, da es insoweit an der Rechtsfähigkeit fehle. Die Rechtsfähigkeit eines Menschen gemäß § 1 BGB beginnt erst mit Vollendung der Geburt.
Nach Ansicht des Gerichts besteht deshalb kein besonderes Näheverhältnis, da die allmähliche Entwicklung der Sinnesorgane des Embryos im Mutterleib zur Begründung eines persönlichen Näheverhältnisses zum getöteten Vater -im Sinne einer gelebten sozialen Beziehung- vor der Geburt nicht ausreiche.

Nach dieser Rechtsauffassung wäre ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld auch dann zu verneinen, wenn das Kind kurz vor dem tödlichen Unfall geboren wird, da die Vorschrift ausdrücklich davon spricht, dass das besondere Näheverhältnis zum Zeitpunkt der Verletzung bereits bestanden haben muss.

Nachdem das Gesetz keine konkreten Angaben zur Höhe des Hinterbliebenengeldes enthält, wird die Bestimmung der Höhe somit den Gerichten und der außergerichtlichen Regulierungspraxis im Rahmen einer Schätzung überlassen.

Oftmals stellt der Betrag von 10.000,00 € eine Richtschnur oder Orientierungshilfe dar, da dieser Betrag in der Begründung des Gesetzesentwurfes in der Kostenschätzung erwähnt wird (so beispielsweise OLG Koblenz, Beschluss vom 31.08.2020,12 U 870/20).

Demgegenüber weist das OLG Schleswig in seinem Urteil vom 23.02.2021 (7 U 149/20) darauf hin, dass der Betrag von 10.000,00 € keine Obergrenze darstelle, sondern nur Ausgangspunkt für die Bemessung sei.
In diesem Zusammenhang verweist das Gericht unter anderem darauf, dass etwa in Österreich ein Hinterbliebenengeld zwischen 10.000,00 und 25.000,00 € gezahlt wird. Auch in der Schweiz bewegen sich die Entschädigungssummen vielfach im Bereich zwischen 20.000,00 und 40.000,00 sFr. In England ist der Betrag gesetzlich auf 12.980,00 £ für alle Angehörigen festgeschrieben.

Die gegen das Urteil zugelassene Revision befindet sich derzeit beim Bundesgerichtshof, damit dieser höchstrichterlich klärt, ob die im Gesetzesentwurf genannte Durchschnittshöhe von 10.000,00 € als Orientierungshilfe oder als Obergrenze für die Bemessung anzusehen ist und gegebenenfalls welche weiteren Kriterien für die Bemessung im Einzelfall von Bedeutung sind.